Kölner Stadt-Anzeiger/ Leverkusener Anzeiger vom 26.06.2009 » Zurück


Leverkusen [LevAnz 26.06.2009 pdf]

Die Zukunft kann nur in der Nische liegen

Wann wandelt sich die WfL?

Die CDU macht sich vor Unternehmern für das "Projekt 2020" stark
und erntet Zustimmung.


Von Thomas Käding

"Wir müssen befürchten, dass da etwas danebengeht." Klaus Hupperth ahnt, dass auch nach der Ratssitzung am kommenden Montag Stillstand bei der Reformierung der Wirtschaftsförderung Leverkusen (WfL) herrschen wird. SPD und Grüne wollen an das Thema auch nach einem guten Jahr noch nicht ran; die rund 300 000 Euro, die für die Erweiterung der Mannschaft um drei Stellen notwendig sind, werden wohl nicht bewilligt.

 KOMMENTAR
Absurder Stillstand

Irgendwie rührend: Jeden Donnerstag verlegt Wolfgang Mues seinen Arbeitsplatz in die Dönhoffstraße und ist Wirtschaftsförderer. Dort leistet er Unterschriften - denn außer ihm darf niemand bei der WfL etwas entscheiden. Ab mittags ist Mues dann wieder Baudezernent. Bis zum nächsten Donnerstag. Es sei denn, er hat Urlaub, so wie jetzt. Dann wird wochenlang gar nichts entschieden bei der Wirtschaftsförderung der bedeutenden Industriestadt Leverkusen.

Thomas Käding sorgt sich um
die Wirtschafts-förderung

Die Politiker haben das gewollt. Weil es billiger ist und die Doppelfunktion sinnvoll erschien. Nach zweidreiviertel Jahren müsste aber allen klar sein, dass eine Stadt so nicht mit Firmen umspringen kann. Aber das CDU-Vorhaben, einem Mues-Mitstreiter Prokura zu geben um wenigstens die Entscheidungen zu beschleunigen, scheitert bislang an politischen Hürden, die offenbar von SPD und Grünen errichtet wurden. Auch, weil es ein CDU-Projekt und eine Kompensation auf sich warten lässt.

So wie es aussieht, wird auch "Leverkusen 2020" ein CDU-Projekt - und deshalb links liegen gelassen. Inzwischen sind die Christdemokraten schon so verzweifelt ob der Hinhaltetaktik, dass sie Unternehmer zu einer Art Entschuldigungsveranstaltung einladen. Dort darf der Berater Markus Wessel dann erklären, wie man Leverkusens Wirtschaftsförderung konkurrenzfähig machen und so organisieren könnte, dass sie beim Strukturwandel helfen kann.

Das geht nur mit Geld. Aber nicht jedem leuchtet ein, dass Leverkusen den Strukturwandel gestalten muss. Weil sonst der Strukturwandel Leverkusen gestaltet. Also geschieht: nichts.
Aber "Stillstand ist Rückschritt". Diese Binsenweisheit lud Markus Wessel jetzt auf Schloss Morsbroich mit Fakten auf. Auf Einladung der CDU legte der Geschäftsführer der Beraterfirma "ExperConsult" das "Projekt 2020" dar. Es beschreibt, wie sich die WfL verändern sollte, um der Stadt bessere Chancen im Strukturwandel zu geben: Sie muss auf das Thema "Innovative Werkstoffe" setzen. Das allerdings bald, denn noch sei diese Marktnische nicht besetzt. Ob das noch lange so bleibt, wollte Wessel lieber nicht versprechen: Im Heidelberger Raum werde mit Hilfe von Bundesbildungsministerin Annette Schavan gerade ein universitärer "Exzellenzcluster" für diesen Bereich eingerichtet. Auch nach Münster fließe Geld aus dem Bildungsetat, obwohl es dort keinerlei unternehmerische Basis für "Innovative Werkstoffe" gebe. "Aber so etwas spielt im Zweifelsfall keine Rolle", erklärte Wessel. In Leverkusen sollte man solche Kapitalflüsse aber als Warnsignale erkennen - und handeln. Die WfL brauche demnach zügig drei neue Mitarbeiter, die das zentrale Thema bearbeiten: "Das Team, das da ist, kann innovative Werkstoffe nicht richtig."

Bei den CDU-Mitgliedern rannte der Berater damit offene Türen ein. Doch auch die durchaus absichtsvoll dazu geladenen Unternehmer konnten sich augenscheinlich mit dem neuen Schwerpunkt in der Wirtschaftsförderung anfreunden. Das galt zum Beispiel für Wolfgang Paczenski, dessen Firma "polyMaterials" im Bereich der neuen Materialien - in seinem Fall auf Polymer-Basis - unterwegs ist. Der Produktionschef wollte wissen, was passiert, wenn die WfL weiter mit rechnerisch 5,65 Mitarbeitern vor sich hinarbeitet und mit den vorhandenen Mitteln versucht, die Stadt als Metropole neuartiger Werkstoffe zu platzieren. Wessels Antwort: "Dann schwimmt man nur mit. Aber man schafft keinen Strukturwandel."

Auch Wellpappenfabrikant Heribert Gierlichs machte klar, dass die WfL eine neue Struktur braucht - einschließlich eines hauptamtlichen Geschäftsführers, den es ja auch schon mal gab. Baudezernent Wolfgang Mues habe nur Donnerstag vormittags Zeit für seine Nebentätigkeit als Wirtschaftsförderer - "das reicht nicht".



Siehe auch:

14.05.2009 - Leverkusen muss sich endlich für eine Zukunftsbranche entscheiden ~ bam-pd
29.04.2009 - Wirtschaftsförderung Leverkusen - Verweigerungshaltung von SPD und Grünen
schadet insbesondere dem Mittelstand
~ cdu-pd
29.04.2009 - Stadtrat: Wirtschaftsförderung muss weiter warten ~ LevAnz